ARTIKEL AUS BERNER ZEITUNG

EIN GESCHASSTER PRIESTER OHNE HALT

Mit dem Schauspiel «Die Nacht des Leguan» bringt der Theater- und Kunstverein Langnau turbulente Theaterkost auf die Bühne. Die Handlung sorgte an der Premiere beim Publikum für leeres Schlucken.

Sommer 1940 an der mexikanischen Küste. Shannon, Doktor der Theologie, trockener Alkoholiker, zudem wegen «Unzucht und Ketzerei» von der Kirche geschasst, erreicht als Leiter einer Reisegruppe von Lehrerinnen eines Baptistencollege für Mädchen das Hotel Costa Verde. Ein etwas zweifelhaftes und heruntergekommenes Haus, das von der sinnenfreudigen Maxine geführt wird. 

Shannon ist am Ende seiner Kräfte: Erst ist ihm Gott verlorengegangen, und nun droht ihm, nach einer Affäre mit der 17-jährigen Charlotte Goodall, auch die Kontrolle über seine Reisegruppe zu entgleiten. Doch im Costa Verde ist Shannons Haltlosigkeit kein Einzelfall. Nach dem Tod ihres Mannes Fred sucht ­Maxine einen neuen Gefährten. Nicht zuletzt aus sexuellen Gründen. Der ehemalige Priester wäre ihr Wunschkandidat. 

Doch die ­Situation verschärft sich, als die Malerin Hannah Jelkes mit ihrem 97 Jahre alten und ­gebrechlichen Grossvater auftaucht und eine Unterkunft sucht. Hannah ist eine Frau von innerer Stärke, zugleich aber einsam und eingeschlossen in ein nie gelebtes Liebesleben. Hannah will Shannon befreien von dem Schatten, der über seinem Leben liegt. Doch dazu muss sie auch sich selbst befreien. 

Facettenreiches Stück

Was an der Premiere am Donnerstagabend auf der Bühne der Kupferschmiede in Langnau passiert, ist tiefgründig. Mit dem Schauspiel «Die Nacht des Le­guan» des US-amerikanischen Schriftstellers Tennessee Williams bringt der Theater- und Kunstverein Langnau unter der Regie von Patrick Martignoni ein facettenreiches Stück auf die Bühne. Ein Stück eben über eingrenzende Lebenslagen und den dramatischen Versuch, diesen zu entkommen. 

Am Ende, in einer der vielleicht intensivsten Szenen, als Hannah und Shannon darüber streiten, ob sie einen für die Hotelküche gefangenen Leguan befreien sollen, macht es den Eindruck, als würden sich die Bahnen dieser zwei Einsamen für einen kurzen Moment berühren. Als wäre auch für sie die Freiheit möglich. 

Warmes Klatschen

Regisseur Patrick Martignoni hat es jedenfalls verstanden, die Laiendarsteller zu einem Team zu formen und sie in Rollen schlüpfen zu lassen, in denen sie mit Spielfreude agieren. Zwar wirken einige Dialoge etwas gar lang. Gabriela Hofer gelingt es als Hannah Jelkes indes, mit der Erzählung ihrer tieftraurigen Liebeserlebnisse für berührende Momente zu sorgen. Überzeugend agiert ebenso Daniel Dällenbach als Reverend Shannon. Seine Sorgen und Nöte nimmt man ihm ab. 

        

Das Premierenpublikum je­denfalls wird in den Bann gezogen, und gewisse Szenen sorgen da und dort für leeres Schlucken. Der anfänglich zurückhaltende Applaus zum Schluss weicht indes rasch warmem Klatschen. (Berner Zeitung)